Das rheinische Braunkohlerevier

Ansicht Friedenskapellchen
Ansicht Friedenskapellchen

Seit zweihundert Jahren wird in der Ebene, die sich im Städtedreieck Aachen, Köln und Mönchengladbach erstreckt, Braunkohle abgebaut. Ihr Abbau war lange Zeit nur ein zweitrangiges wirtschaftliches Standbein neben den traditionellen Erwerbszweigen Landwirtschaft, Handwerk und Kleinindustrie.

Vor etwa sechs Jahrzehnten wandelte sich dieses Bild. Neue Großtechnologien machten es möglich, den Abbau in immer größeren Ausmaßen zu betreiben. Diese Technik kann aber nur kostendeckend arbeiten, wenn ganze Landstriche gleichzeitig "ausgekohlt" werden. Für den Tagebau Frechen mussten bereits in den Jahren 1940-1950 die ersten Dörfer in ihrer Gesamtheit weichen und wurden nebst Straßen und Bächen, Kirchen und Klöstern, Gutshöfen und Schlössern abgebaggert. Sie verschwanden nicht nur vom Erdboden, der ganze Erdboden verschwand mit ihnen. Zunächst bleiben Löcher von bis zu 250 Metern Tiefe und kilometerweiter Ausdehnung. Auf den Landkarten findet man hier weiße Flächen. Explodierender Energiebedarf, vielleicht sogar Energieverschwendung und Wirtschaftswunder sorgten dafür, dass diese sogenannten Braunkohledörfer komplett ausgelöscht wurden. Für fast alle Menschen kaum vorstellbar. Neue Dörfer entstehen auf Ackerflächen. Auch hierfür müssen wieder komplette Bauernhöfe umgesiedelt werden.

Unaufhaltsam fraß sich der Schaufelradbagger durch die Erde und näherte sich Tag für Tag auch den Orten Otzenrath und Spenrath. Frimmersdorf I, später Garzweiler II, so heißt der Tagebau, dem die Dörfer zum Opfer fallen sollten. Insgesamt 9.000 Menschen leben auf der Linie des Baggers, etwa 2.000 davon in Otzenrath und Spenrath. Dieses gigantische Umpflügen, Abtragen und Umschichten der Kulturlandschaft schreitet auch heute weiter voran. Bis 2045 soll hier Braunkohle abgebaut werden, weitere 40 Jahre dauert die Renaturierung der aufgewühlten Landschaft.

Seit fast einem halben Jahrhundert war für die Otzenrather und Spenrather Bevölkerung mehr oder weniger gewiss, dass der Tagebau im Jahr 2005 die beiden Orte erreichen würde. Auch große Protestaktionen wie Fackelzug usw. sollten an der Planung der bergbautreibenden Rheinbraun AG – heute RWE Power – nichts ändern.

Eine Zeit lang gab es jeden Ort zweimal, je ein altes und ein neues Dorf. Inzwischen sind alle Otzenrather und Spenrather Bürger umgesiedelt und die alten Dörfer gibt es nicht mehr. Die Umsiedlung ist abgeschlossen.

Für viele Menschen jedoch ist die Umsiedlung nie abgeschlossen, ihre Gedanken gehen immer wieder in die alte, nicht mehr existierende Heimat zurück.

Deshalb ist es so wichtig, einige Erinnerungsstücke aus den alten Orten am neuen Standort zu sehen. Dazu gehören nicht nur die Friedhöfe, die Kirchen, Schule, Kindergarten und Turnhalle. Auch die Wegekreuze aus dem alten Umfeld Otzenraths und Spenraths sowie die Friedenskapelle im Altenpark, zwischen dem katholischen und evangelischen Friedhof gelegen, gehören zu den Bauwerken der Erinnerung.

Mitglieder der Kolpingsfamilie Otzenrath hatten bereits im Jahre 1974 die vorgenannte Friedenskapelle errichtet. Sie wurde auf kirchlichem Land errichtet und war deshalb auch Eigentum der katholischen Kirchengemeinde St. Simon und Judas Thaddäus Otzenrath.

Schon zu Beginn der Umsiedlung stand für die Kolpingsfamilie fest:

"Am neuen Ort wird wieder eine Kapelle gebaut."

Zur Geschichte der Otzenrather Kapellchen

Viele Otzenrather und Spenrather erinnern sich sicher an das Kapellchen, das in Alt-Otzenrath an der Dechant-Berger-Straße Ecke Tannenweg stand. Erbaut wurde es im Jahre 1820 von den Eheleuten Martin Jansen und Gundula Pickartz. Aus der Pfarrchronik wissen wir, dass die Abmessungen 5,5 x 3,5 m betragen haben.

Als dieses Kapellchen 1971 wegen Baufälligkeit abgerissen werden sollte, wurden in der Kolpingsfamilie Otzenrath Überlegungen über den Verbleib der dort untergebrachten Heiligenfiguren angestellt. Als würdiger Aufstellungsort wurde eine neu zu errichtende Kapelle angesehen, die ihren Standort im Altenpark bekommen sollte. Die Figuren selber mussten das Abenteuer einer Entführung erleben. Eines Tages waren sie verschwunden und erst nach längerer Zeit ging in der Pfarre ein anonymer Hinweis auf ihr Versteck ein, so dass sie von dort wieder nach Otzenrath gebracht werden konnten. Die neue Kapelle im Altenpark wurde mit Hilfe von Mitgliedern der Kolpingsfamilie Otzenrath errichtet und konnte am Allerheiligentag 1974 eingeweiht werden.

Sie erhielt der Namen "Friedenskapelle" in Erinnerung an das alte Martinskapellchen, welches in Kriegszeiten Treffpunkt von Otzenrather und Spenrather Bürgern war, die an diesem Ort um den Frieden beteten.

Das neue Kapellchen

Die Kapelle im Altenpark war zwar nicht baufällig, wurde aber trotzdem abgebrochen, da alle Gebäude, ja der ganze Ort, dem Braunkohlentagebau weichen musste. Von Otzenrather Bürgern wurde der Wunsch nach einer neuen Kapelle an die Kolpingsfamilie herangetragen. Es wurden wiederum Überlegungen angestellt wie man diesem Wunsch gerecht werden kann. Der Vorstand der Kolpingsfamilie entschied sich für den Neubau einer neuen Kapelle am Umsiedlungsort.

Der Schleider Grund, die zwischen den Orten Otzenrath und Spenrath gelegene ökologische Ausgleichsfläche mit ihren Spazierwegen, wurde als idealer Standort empfunden. Von der Gemeinde Jüchen wurde der Kolpingsfamilie ein Grundstück in Erbpacht zur Verfügung gestellt. So entstand auf einer 125 m² großen Parzelle im Schleider Grund, dem sogenannten "Tälchen", das neue Friedenskapellchen. Vor Baubeginn fand in den Orten Otzenrath, Spenrath und Hackhausen (als unmittelbarem Nachbarort) eine Haussammlung mit einem großartigen Sammelergebnis statt.

Nach einer Bauzeit von etwa 1½ Jahren, fast ausschließlich in Eigenleistung von Mitgliedern der Kolpingsfamilie Otzenrath e. V., konnte am 12. Dezember 2009 das neue Friedenskapellchen in einer kleinen Feier eingesegnet und der Öffentlichkeit übergeben werden.

Wir danken allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern für die finanzielle und materielle Unterstützung zum Neubau des Friedenskapellchens. Allen Kolpingmitgliedern ein großes "Vergelt's Gott" für ihre tatkräftige und vielfältige Hilfe am Bau. Für die von der Umsiedlung betroffenen Menschen hat die Kapelle einen Erinnerungswert an den alten Ort, da hier Materialien aus der alten Pfarrkirche, z. B. Fenster aus der Taufkapelle, ein Weihwasserbecken, die Säulen der alten Kanzel, Fußbodenfliesen aus dem Jahre 1869 und das Hauptportal, verarbeitet bzw. eingebaut wurden. Die Kapelle ist auch ein Angebot als Stätte der Besinnung auf die christlichen Werte unserer Gesellschaft. Sie lädt alle Besucher ein zur Meditation und will helfen, die Sorgen des Alltags zu überwinden.

 

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Schließdienst

Tagsüber ist die Kapelle geöffnet.

Nebenstehend zeigen wir den Schließdienstplan und bitten alle Besucher uns festgestellte Schäden zu melden.

Danke